Die nördlichste Spitze der Insel bildet das Kap Arkona mit seiner Steilküste und den drei Leuchttürmen. In Putgarten, der nördlichsten Ortschaft Rügens, bleibt das Auto auf einem überdimensionalen Parkplatz stehen. Zu Fuß lässt sich dieser Winkel ohnehin besser erkunden. Besonders der Feldweg nach Vitt und von dort hinunter zum Hafen und dem Steinstrand, dem man bis zum Kap folgen kann, versprechen stundenlange Spaziergänge in einer malerischen Landschaft.
Die Kreideküste am Kap ist wie überall auf Rügen brüchig. Der Strandbereich unterhalb der Steilkante ist gesperrt. Trotzdem bietet sich hier ein Rundblick über die Küste im Süden und das offene Meer. Ein bisschen fühlt man sich schon wie am Ende der Welt. Über Stufen im Steilhang gelangt man auf das Plateau, welches das Kap bildet. Hier oben tauscht man die Ruhe und zuweilen Einsamkeit des Strandes gegen die Gesellschaft zahlreicher Touristen ein.
Etwas abseits, nahe der Jaromarsburg, steht der dritte Turm, der Peilturm, mit Kunstausstellungen, einer Galerie und archäologischen Exponaten zur Geschichte der Ureinwohner Rügens, den slawischen Ranen, und ihrer vierköpfigen Gottheit Svantevit, dem hier ein Tempel gewidmet war. Das Kap gehört übrigens zu den sonnenreichsten Orten in Deutschland.
Halbinsel Jasmund
Eine sieben Kilometer lange Nehrung, die Schaabe, trennt den Breeger und den Großen Jasmunder Bodden von der Tromper Wiek und verbindet zugleich die Halbinseln Wittow und Jasmund. Die große Bucht (nichts anderes ist eine Wiek) reicht von Vitt bis nach Glowe. So dramatisch zeigt sich die Tromper Wiek zwar nicht immer, aber Windstärken zwischen 4 und 6 sind keine Seltenheit. Auf der Nehrung mit ihren sandigen Böden und dem Misch- und Kiefernwald wachsen im Herbst Unmengen von Pilzen und ziehen Sammler sogar vom Festland an.
Einer der großartigsten Strände Rügens befindet sich direkt auf der Nehrung bei Juliusruh. Hier hat man die ganze Tromper Wiek vor der Nase. Aber der Wind kann hier auch arg frisch werden und das Wasser recht kalt sein. Der feine Sand rieselt in jede Ritze. Auf der anderen Seite der Nehrung, am Breeger Bodden, geht es ruhiger zu.
Am Südende der Nehrung liegt der Kurort Glowe. Der Ort hat in den letzten zehn Jahren ebenfalls einen Touristenboom erfahren, nicht zuletzt, weil zwei Ferienhausparks gebaut wurden. Dazu kommen die Kurgäste der Klinik. Im Herbst geht es aber doch ruhig zu und dann lädt der Strand zum Spazieren ein, zeigt sich jeden Tag mit einem neuen Gesicht. Es ist dieser Strand, der mich immer wieder staunen lässt, wie unterschiedlich ein und dasselbe Meer aussehen kann.
Im Sommer, wenn die Strandkörbe aufgebaut und bevölkert sind, ist es zwar voller am Strand, aber Glowe wirkte auf mich nie überladen. An trägen Sommertagen kann man hier verweilen und die bunte Schar der Badegäste beobachten, sich Lebensgeschichten zu ihren Gesichtern überlegen und über die Schönheit vom Leben sinnieren.
Östlich vom Glower Hafen wandelt der Strand sein Gesicht gänzlich. Dort, wo die sandige Nehrung endgültig aufhört, beginnen wieder Steilküste und Steinstrand. Auch in dieser Richtung kann man herrlich lange Spaziergänge unternehmen und dabei die Zeit (und manch anderes auch) vergessen. Die salzige Luft spült nicht nur die Lungen durch, sondern auch den Geist. Das macht diese Insel zu einem sehr inspirierenden Ort.
Auch dafür ist Glowe berühmt: die Kormoran-Kolonie. Auf uralten, brüchigen Buhnen östlich vom Hafen, teilen sich die schwarzen Vögel die Küste mit Silbermöwen, Lachmöwen und Höckerschwänen.
Etwa drei Kilometer südöstlich von Glowe liegt der Spyker See. Der See ist ein Naturschutzgebiet und bietet zahlreichen Zugvögeln Rast- und Brutplätze. Er ist umgeben von weiten Schilfflächen und kaum einzusehen. Doch ein Spaziergang von Glowe bis zum Schlosshotel Spyker lohnt sich schon allein wegen der herrlichen Landschaft. Die umliegenden hügeligen Felder erinnern ein wenig an die Toskana. Pappeln statt Zypressen.
Noch etwas weiter südlich vom See gelegen ist das kleine Dorf Bobbin mit der ältesten Natursteinkirche Rügens. Sein wahrer Schatz liegt aber außerhalb der Ortschaft auf einem Hügel direkt an der Straße. Von dort oben lassen sich die Felder bis zum Großen Jasmunder Bodden überschauen, welche im Herbst Schlafplatz für tausende Kraniche sind. Das Farbspektakel der untergehenden Sonne über dem Bodden ist eine majestätische Kulisse für das allabendliche Ritual der Vögel, sich auf den Schlafplätzen einzufinden.
Ein anderes Naturjuwel liegt im Osten der Halbinsel Jasmund. Nahe der Ortschaft Hagen, wo man auf einem großen Parkplatz sein Auto abstellen kann, beginnt der Buchenwald, der den Nationalpark Jasmund prägt. Von Hagen aus kann man auf einem vier Kilometer langen Spaziergang zum Besucherzentrum am Königsstuhl den Wald in seiner ganzen Pracht genießen. Zurück geht es schnell und bequem mit dem Bus.
Am Königsstuhl herrscht im Sommer Hochbetrieb. Die eindeutig bessere Zeit für einen Besuch ist der nahende Herbst. Wer ohne Bad im Meer auskommt, dem sei ohnehin der September auf Rügen empfohlen. Auf dem Bild zu sehen ist der Blick vom Königsstuhl zur Victoria-Sicht. 118m erhebt sich die Aussichtsplattform des Königsstuhls über dem Meer. Die Rügener Kreide ist ein sehr reiner, weißer, feinkörniger und brüchiger Kalkstein – der auch am Königsstuhl bröselt. Nun denkt man in Sassnitz bereits darüber nach, eine andere Aussichtsplattform zu finden.
Sassnitz liegt zehn Kilometer südlich des Königsstuhls und während einer Kutterfahrt vom Hafen entlang der Kreideküste kann man die Schönheit der weißen Stadt im Bäderstil bewundern, eingebettet zwischen blauem Meer und grünem Buchenwald. Die beste Zeit für den Ausflug ist übrigens während des Vormittags, wenn die Sonne die Kreideküste bescheint.
Der Südosten
Die Granitz und die Ostseebäder
Südlich von Sassnitz weitet sich die Prorer Wiek an einem weiteren kilometerlangen Sandstrand. Am Südende der Wiek liegt das Ostseebad Binz, von den drei Seebädern an der Ostküste Rügens das größte und mondänste. Die kleinen Straßen sind gesäumt von weiß gestrichenen Häusern mit Holzveranden und Balkonen, eine Mischung aus Südengland und amerikanischer Ostküste. Morgens, wenn der Ort noch recht leer ist, fahren Radlader und Traktoren über den Strand und sammeln den Seetang ein. Wer Bernstein selber finden will, muss schneller sein. Sonst bleibt nur die Souvenirmeile auf der Promenade.
Gegenüber der Seebrücke befindet sich das Kurhaus. Seine Geschichte beginnt im Jahr 1890 als Fachwerkhaus, in dem Kaiserin Auguste Viktoria zu den ersten Gästen zählte. Sie war verheiratet mit Wilhelm II., einem Enkel der englischen Königin Victoria. Das Kaiserpaar wird erfreut gewesen sein, dass die Bäderkultur damit auch in Preußen Einzug hielt.
Der Küstenlinie weiter nach Süden folgend gelangt man durch den Küstenhochwald der Granitz nach Sellin, dem zweiten Ostseebad. Die Wilhelmstraße führt direkt zur Seebrücke. Da Sellin auf einer Hochebene liegt, muss man einige Stufen hinab steigen, um ans Meer zu kommen. Doch gerade am Abend ist die Stimmung am Hochufer und der Promenade sehr idyllisch. Von der erleuchteten Seebrücke wehen Klaviermelodien herüber und noch immer rauscht die Brandung leise heran.
Südlich des letzten der drei Seebäder – Baabe – liegt die Stadt Göhren und wer die Bäderkultur mit ihrem Schick nicht mag und stattdessen „bodenständig“ (oder familiär) den Ostseeurlaub verbringen will, der ist hier goldrichtig. Der lange Strand reicht bis zu einer Landzunge, dem Nordperd, dem östlichsten Zipfel der Insel Rügen.
Entlang der Küste vor Göhren, Richtung Nordperd, ragen in Strandnähe große Findlinge aus dem Wasser. Der Seegang hier ist immer etwas rauer. Man steht vor dem großen blauen Meer und versucht sich das viele Nichts vorzustellen, bis man nach einhundertfünfzig Kilometern auf die polnische Küste oder – wenn man etwas weiter nördlich schaut – nach neunzig Kilometern auf die Insel Bornholm stößt.
Im Süden
Putbus und der Rügische Bodden
Nur einen Katzensprung vom Rügischen Bodden westlich der Halbinsel Mönchgut befindet sich eine weitere Zeitkapsel: das Städtchen Putbus. Ab 1808 baute hier Fürst Malte von Putbus „seine“ Stadt mit Theater, Kirche, Badehaus, Marstall, Orangerie, Affenhaus und Fasanerie sowie einem Schlosspark im englischen Stil, durch den man heute noch wandeln kann.
Der weitläufige Park mit einem See, einem Wildgehege und Alleen und Wiesen lädt zum entspannten Flanieren ein. Neben dem Markt von Putbus ist der sogenannte Circus, ein kreisrunder Platz mit Wohnhäusern, auf die städteplanerische Anlage durch den Fürsten zurückzuführen. Ursprünglich befand sich hier nur der Stammsitz der Familie von Putbus. Dieser wurde zu einem dreiflügeligen Schloss ausgebaut.
Nachdem das bereits nach dem zweiten Weltkrieg geplünderte Schloss in den 1960ern endgültig gesprengt wurde, weisen heute nur noch einige Ecksteine auf der Wiese am See auf seine einstige Lage hin. Ein Jammer um dieses Prachtstück!
Neben Damwild kann man im Wildgehege auch Rothirsche bestaunen. Auch aus dendrologischer Sicht ist der 75 Hektar große Schlosspark interessant, denn es finden sich dort unter anderem Riesen- und Urwelt-Mammutbäume, Zedern und Tulpenbäume. Die prächtige Kastanienallee zwischen dem Circus und dem Marstall wird besonders im Herbst zu einem farbenprächtigen Erlebnis.
Zum Schluss noch kurz auf einen (Bock-) Sprung…
Der Westen
Boddenlandschaft und die Insel Ummanz
Auf der Westseite der Insel Rügen, am Varbelvitzer Bodden nahe Mursewiek, liegt der Bauernhof Kliewe. Er ist Erlebnis-Bauernhof, Ferienhof und Kinderbauernhof zugleich, bietet Ponyreiten, Streichelzoo, Spielplatz und ein Hofcafé mit regionalen Produkten, Kuchen und Eis und eine große Strohburg zum Toben. Der Blick über den Bodden zur Insel Ummanz ist vor allem in der Zugzeit interessant, wenn es auf dem Wasser an Vögeln nur so wimmelt.
Von Ost nach West, von Nord nach Süd – Rügen bietet entlang seiner Küste viel Natur, Bäderflair, Strand und Meer. Und da es immer noch so viel zu entdecken gibt, werde ich der größten Insel Deutschlands wohl weiterhin meine Aufwartung machen.