Von der Vision einer Rückkehr
Ausgestorben war der Waldrapp in Europa bereits seit mehreren Jahrhunderten. Nur in Zoos wurden einzelne Tiere gehalten und gezüchtet. Der Gedanke, den Waldrapp in Europa wieder anzusiedeln und das Zugverhalten dieser Vögel wiederzubeleben, kam im Jahr 2002 auf. Mehrjährige Vorstudien führten schließlich zu der Projektidee und einem Antrag auf Förderung durch das EU Projekt LIFE+ BIODIVERSITY, welches von 2007 bis 2014 Projekte unterstützte, die die Umsetzung der Vogelschutz- und Habitatrichtlinie der EU zum Ziel haben.
Gründer des Waldrappteams ist der österreichische Biologe Johannes Fritz. Inzwischen ist das Projekt auf vier Koloniestandorte angewachsen sowie das Wintergebiet in der Toskana. Zahlreiche Mitarbeiter unterstützen die Arbeit, darunter Oliver Habel, der seit 2014 die Kolonie in Burghausen betreut.
Wir haben im Dezember 2018 eine Patenschaft für einen Waldrapp des Projekts „Reason for Hope“ vom internationalen Waldrappteam übernommen.

Das 2017 in Burghausen geschlüpfte Weibchen heißt WALDEMAR und wurde von seinen Eltern Zeudi und Saba in das Wintergebiet, der Oasi Laguna di Orbetello in der südlichen Toskana, geführt. Dieses Gebiet wird vom WWF Italy betreut und für die kommenden ein, zwei Jahre die Heimat von Waldemar sein. Waldrappe verbringen ihre Jugend in dem Wintergebiet bis sie nach zwei bis drei Jahren geschlechtsreif sind. Danach wird Waldemar in die Burghausener Kolonie, wo sie geschlüpft ist, zurückkehren.
Auf der Facebook-Seite des Waldrappteams werden regelmäßig aktuelle Informationen aus dem Wintergebiet und den Kolonien gepostet. Die Homepage des Projekts bietet eine Fülle an Informationen zur Geschichte, Entwicklung und Zukunft der Wiederansiedlung des Waldrapps.

Wir haben uns zur Unterstützung des Projektes entschieden, weil uns die Geschichte des Waldrapps und mehr noch die Vision der Wiederansiedlung sehr berührt haben.
Im 17. Jahrhundert wurde die Art in Europa durch Bejagung restlos ausgerottet. Seit über 350 Jahren gab es in Europa keine freilebenden Waldrappe mehr. Lediglich eine nicht ziehende Restpopulation freilebender Waldrappe in Marokko existierte noch.
Durch Handaufzuchten aus Zoos und mit der Unterstützung von weiteren kompetenten Partnern gelang es dem Waldrappteam in den vergangenen Jahren eine ziehende Population in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in Italien als Überwinterungsgebiet aufzubauen. Projektträger ist der in Österreich angesiedelte Förderverein Waldrappteam.
Da jedes Tier mit einem GPS-Sender ausgestattet ist, kann die Position aller Individuen über eine Tracking App mitverfolgt werden.
Wer Lust hat, das Team und sein Projekt ebenfalls zu unterstützen findet hier Informationen dazu.
Ende Mai 2019 habe ich mit meiner ältesten Tochter die Waldrappkolonie in Burghausen besucht. Die Brutnischen am Pulverturm sind täglich von 16 bis 17 Uhr für interessierte Besucher geöffnet. Dabei besteht auch die Möglichkeit mit den Mitarbeitern vor Ort ins Gespräch zu kommen.









Für uns war es ein ganz besonderes Erlebnis, diesen wunderschönen Vögeln so nahe kommen zu können. Die sanften, großen Vögel sind noch viel schöner als es auf Fotos oder in Filmen zu sehen ist. Ihre großen Flügel schillern wie ein schwarzer Regenbogen und einen fliegenden Waldrapp mit eigenen Augen zu sehen, ist ein Erlebnis, das sehr lange nachwirkt.
Im November 2021 erhielt ich eine Mail von Johannes aus Österreich. Und was er mir berichtete, war so spannend, dass ich es – mit seinem Einverständnis – gerne hier teilen möchte.
Johannes begegnete Waldemar im November 2017 während ihrer ersten Herbstmigration als Jungvogel. Leider verlor sie dabei den Anschluss an die Gruppe und „fiel in Österreich vom Himmel“. Johannes traf sie auf einer Wiese in der Nähe seines Wohnortes und kontaktierte Daniela Trobe vom Waldrappteam. Die vermissten Waldemar bereits… Aber lest doch selbst die schöne Geschichte, die Johannes aufgeschrieben hat:

Ganz herzlichen Dank, Johannes, dass du mir von deiner Begegnung mit Waldemar erzählt hast. Es ist nicht nur erstaunlich, wie so ein Puzzleteil aus Waldemars Leben zu uns gelangte, nein, viel erstaunlicher ist noch, wie die Arbeit des Waldrappteams und die Waldrappe selbst auf diese Weise Menschen miteinander verbinden, die sonst wohl niemals voneinander gehört hätten.
Nun warten wir gemeinsam auf Waldemars erste Rückkehr ins Brutgebiet, was hoffentlich 2022 soweit sein wird. Und vielleicht ist dann sogar ein großes Zusammentreffen möglich. Schön wär’s 🙂
Mit der Verlängerung unserer Patenschaft für Waldemar Ende 2021 klärte sich ein weiteres Mysterium um Waldemar. Auf unserer Paten-Urkunde steht, dass Waldemar aus der Burghausener Brutkolonie stammt, doch in der Korrespondenz mit dem Waldrappteam war stets vom österreichischen Kuchl die Rede. Also habe ich mal nachgefragt und Frau Fritz antwortete mir wie folgt:
Waldemar ist tatsächlich in Kuchl geschlüpft und musste dann mitsamt seiner Familie wegen ständiger Uhuattacken nach Burghausen übersiedelt werden. Der Uhu der uns zu schaffen machte, gehörte zu einer Greifvogelstation wo er nach einer Verletzung gesund gepflegt und wieder in die Freiheit entlassen wurde. Da kam ihm das Waldrappbuffet am Georgenberg wohl gerade recht.
Der Uhu also ist verantwortlich für Waldemars Umzug nach Burghausen. Ob sie nun in 2022 den Weg über die Alpen antritt, bleibt offen, genau so wie die Frage, wohin es sie dann wohl ziehen wird – Kuchl oder Burghausen?