„Ich will meine Begeisterung für Vögel nicht länger für mich behalten. Sondern sie weitergeben, in einer Form, die möglichst viele erreicht und im Idealfall ansteckt.“
So beschreibt Johanna Romberg in der Einleitung (Seite 16) ihr Anliegen, dieses Buch zu schreiben. Das 2018 im Lübbe Verlag neu erschienene Sachbuch trägt den Untertitel „Vom Glück, Vögel zu beobachten“.
Für sie als Hobby-Beobachterin ging es nie darum, umfassendes Wissen über die Vogelwelt zu erlangen. Somit musste sie bei der Arbeit an dem Buch viel Recherchieren und auf Experten zugehen. Etwas, das ihr als langjährige GEO-Redakteurin und Autorin nicht schwergefallen sein dürfte. Und von dem sie selbst immer wieder im Buch betont, wie bereichernd es für sie war, all diese Menschen getroffen zu haben.
Die schiere Fülle an Informationen veranlasste sie, das Buch in zwölf voneinander unabhängige Kapitel zu gliedern. Jedes dieser Kapitel liest sich wie eine eigene Geschichte. Die Themenbreite reicht von der Identifikation von Vogelstimmen und dem Umgang mit einem Bestimmungsbuch über die Benutzung von Ferngläsern hin zu Artenschutz und kontroversen Themen wie den Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft und den potentiellen Gefahren durch Windkraftanlagen. Daneben widmet sie sich aber auch einzelnen Vogelarten – Spechten, Mauerseglern oder Greifvögeln. Und verliert nie das Glück aus den Augen.
Ihr Schreibstil ist erzählerisch und aus der Ich-Perspektive und erinnert ein wenig an die Sachbücher amerikanischer Autoren wie Richard Louv („Das letzte Kind im Wald“). Stets wirkt sie authentisch, und durch ihre zum Teil tiefen Einblicke in Kindheit und Privatleben auch sehr persönlich.
Nie klingt sie belehrend. Sie wägt ab, hinterfragt, wechselt die Perspektive, aus der vor allem die großen Streitthemen wie Artenschutz und Landwirtschaft, Naturschutz und Jagd etc. betrachtet werden müssen. Stets bemüht sie sich um Objektivität, doch oft vermittelt sie durch ihre eigene Meinung den nachdrücklichen Wunsch zu mehr Achtsamkeit und Rücksichtnahme. Dabei geht es ihr nicht vordergründig um Statistiken und Zahlen, obwohl sie nicht müde wird, ihre Recherchen durch Expertenaussagen und Studien zu belegen, doch am Ende steht immer das ganz persönliche Erleben, das eigene Glück am Vögelbeobachten.
Das Buch ist gespickt mit Tipps und Informationen zur Beobachtung von Vögeln: Organisationen und Projekte werden genannt, Magazine und Bücher erwähnt, Internetseiten angeführt und auf Führungen durch Naturschutzverbände und Interessengruppen sowie Beobachtungsgebiete für eigenständige Erkundungen hingewiesen. Ja, sogar auf die juristische Handhabe des Einzelnen im Falle von Umwelt- und Tierschutz geht sie am Rande ein. Deutlich wird dabei immer, dass es Johanna Romberg um Lebensnähe und Nachahmbarkeit geht, um die Umsetzbarkeit und das Erleben des ornithologischen Hobbys vor Ort und nicht durch teure Birding-Reisen nach Südamerika oder Afrika. Sie bewirbt durch ihre Recherchen den Artenreichtum in Deutschland und die vielen Möglichkeiten, unkompliziert auf Entdeckertour zu gehen.
Johanna Romberg findet in ihrer Sprache eine schöne Balance zwischen Sachlichkeit und Emotionalität. Trotz der Fülle an Themen, die sich in den 300 Seiten des Buches verstecken, wirkt es strukturiert und klar, auch wenn die Autorin selbst mehr als einmal erwähnt, kein besonders systematischer Typ zu sein. So berichtet sie (Seite 20):
„Immer kam mir etwas dazwischen, oder besser gesagt, es flog mir etwas dazwischen, denn meistens war es ein Vogel, der zwischendurch meine Aufmerksamkeit forderte.“
Diese Zwischendurch-Themen sammelte sie unter der Kategorie Zugeflogen, welche sich zwischen die Kapitel reihen und zum Teil deren Übergänge bilden.
Sie heben sich auch farblich vom Buch ab, denn sie sind auf Seiten in hellem Sepia gedruckt. Überhaupt ist das Layout des Buches eine einzige Freude, was schon mit dem Einband beginnt. Er war es auch, der meine Aufmerksamkeit im Buchladen anzog. Das erste Blättern durch die Seiten ließ mich dann nicht mehr los, auch wenn ich das Buch zunächst beiseitelegte, nicht zuletzt, weil es eben doch seinen Preis hat – 24 Euro (als eBook 17,99€). Aber das farbig gestaltete Inhaltsverzeichnis, die wunderschönen Vogelaquarelle von Florian Frick, die federnbesetzten Seiten des Inneneinbands und das glatte, relativ schwere Papier lassen jedes Herz höher schlagen. Die Liebe, die dieses Buch ausstrahlt, macht es unwiderstehlich und mein erster Gedanke war: Das ist ein Buch wie ich es auch gerne geschrieben hätte.
Das Buch trifft einen Nerv unserer Zeit, denn Vogelbeobachtung, auf Neudeutsch Birding, ist längst auf dem Vormarsch und die Hobby-Ornithologie hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen gewaltigen Imagewandel erfahren. Johanna Romberg formuliert es so (Seite 250):
„Es ist nicht mehr das beschauliche, etwas trutschige Hobby von Wanderern, das es früher war und als das es, in vielen Medienberichten, heute noch dargestellt wird. Vogelbeobachtung ist ein Hightech-Sport geworden, der Aufwand und Einsatz erfordert, jedenfalls dann, wenn man zu den besten des Fachs gehören will.“
Und während des Lesens bekommt man arg Lust darauf, auf Aufwand und Einsatz, auf das Erleben der Vögel mit eigenen Augen und Ohren, und auf das Glück, was sich dabei tief innen drin breitmacht.
Die Abbildungen und Zitate entsprechen den Richtlinien für Blogger des Bastei Lübbe Verlag
Datenblatt
Titel: Federnlesen. Vom Glück, Vögel zu beobachten
Autorin: Johanna Romberg
Illustrator: Florian Frick
Einband: gebundene Ausgabe, 304 Seiten
Auflage: 2., Ersterscheinung am 23.02.2018
Verlag: Bastei Lübbe (Lübbe Ehrenwirth)
ISBN: 978-3-431-04088-3