Kaum ein Fluss dominiert die Oberlausitz im östlichen Sachsen derart wie die Spree. Im sorbischen Gebiet, insbesondere der Niederlausitz, wo sie das größte Fließgewässer ist, wird die Sprjewja, zuweilen schlicht rěka genannt: Fluss.
Eigentlich war die Teichgruppe zwischen Niedergurig und Malschwitz ein Zufallsfund, der sich gleich beim ersten Besuch als Glückstreffer erwies. Im Januar 2019 stöberte ich über Landkarten gebeugt in der Teichlausitz umher und erspähte nur wenig nördlich von Bautzen, keine fünf Kilometer von der Autobahn entfernt einige Fischteiche. Gepackt vom Winterhype – blattlose Baumkronen und damit freie Sicht! – konnte ich gar nicht genug vom Vögelbeobachten bekommen. Nachdem ich mich eine Zeitlang im Großen Garten in Dresden herumgedrückt hatte, packte ich kurzentschlossen Mann und Kinder ins Auto und fand mich recht bald in einem kleinen Vogelparadies wieder (und ich benutze diesen verklärten Begriff normalerweise nicht oft).

Wortspalterei
Ihren drei Quellen in der Oberlausitz und dem Umstand, dass die Spree zuweilen Binnendeltas bildet, das bekannteste davon ist der Spreewald, hat sie vermutlich ihren Namen zu verdanken: die Spreuende.
An dieser Stelle – weil es Spaß macht – ein bisschen Linguistik.
Das Wort Spreu bezeichnet bekanntermaßen jene Teile eines Getreidekorns, die früher dem Wind überlassen wurden (oder als Futter dem Vieh). Der Mechanismus der Trennung von Spreu und Korn bewirkte, dass die leichten Teile des Korns durch Worfeln und Aufschütteln in Tüchern und Körben weggeweht wurden und sich in der Umgebung verteilten. Eine andere Bezeichnung für Spreu ist übrigens Kaff, und wer nun an verstreute Dörfer irgendwo im Nirgendwo denkt, liegt damit ebenfalls völlig richtig.
Die germanische Grundform des Begriffs ist spreu oder sprew. Im Englischen findet sie sich im Verb to spread wieder, mit einer ähnlichen Bedeutung: sprengen, spreizen, streuen, sprühen.
So eine ist die Spree also.

Lage
Auf ihrem Weg aus dem Lausitzer Bergland bis zur Mündung in die Havel in Berlin-Spandau, passiert die Spree die Stadt Bautzen. Vom nördlichen Stadtrand aus zieht sich das Landschaftsschutzgebiet Spreeniederung bis an die südliche Grenze des UNESCO Biosphärenreservats Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft nahe der Ortschaft Klix. Das Gebiet umfasst unter anderem die von der Spree gespeiste Talsperre Bautzen und das Teichgebiet zwischen Niedergurig und Malschwitz, wo sich die Spree erstmals in zwei Hauptarme teilt, deren Zusammenfluss einige Kilometer weiter zwischen Klix und Spreewiese erfolgt. In diesem Gebiet zwischen der Hauptspree und der Malschwitzer Kleinen Spree eingebettet liegen zahlreiche Fischteiche und Fließe, eine rund ums Jahr überaus artenreiche Gegend für Sing-, Greif- und Wasservögel.

Teichlausitz
Über 350 Teiche gibt es im Biosphärenreservat und auch außerhalb der Grenzen des Schutzgebietes sind die historisch entstandenen Fischteiche zahlreich vorhanden. Die Fischzucht – heute allen voran Karpfen – hat eine jahrhundertelange Tradition, die mit der Besiedlung und Urbarmachung der einst moor- und waldreichen Lausitz seit dem 13. Jahrhundert einherging. Die Entwässerung der Flussauen war notwendig für Ackerbau und Viehweiden, denn in den höheren, waldreichen Lagen war der Boden zu nährstoffarm.

Auch die Teichgruppe bei Niedergurig ist auf diese Art entstanden. Sie umfasst 14 große und kleine Teiche mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften. Günstige Beobachtungszeiten sind neben den Wintermonaten die Zeit von April bis Juni. Während die südlicheren Teiche kleiner und von unterschiedlichster Vegetation umstanden sind, befinden sich weiter nördlich die Großteiche I bis IV mit weiten Wasserflächen.
Die westliche Umgebung mit Wiesen und Weiden ist ein gutes Beobachtungsgebiet bis in den Herbst hinein, da sich hier Grau- und Silberreiher sowie Weißstörche auf Futtersuche begeben.

Entlang der Malschwitzer Kleinen Spree sind Eisvögel heimisch, ein wirklich typischer Vogel für die Spreelandschaft. Auch verschiedene Grasmücken sowie Rotkehlchen und Zaunkönig nutzen die Dickichte entlang des Flusses als Brutplätze.
Im Thomasteich, welcher vom Radweg aus gut einsehbar ist, brüteten 2019 im Schilf Höckerschwäne, Rohrweihen und Graugänse. Ob das zukünftig so sein wird, hängt davon ab, wie die Schilfbestände wieder nachwachsen, denn im Herbst 2019 wurde hier und im Großen Nicolausteich auf der anderen Seite des Radweges aufgrund von Baumaßnahmen alle Vegetation entfernt, um die maroden Überlaufsysteme zu modernisieren und die Teiche für die Fischzucht besser nutzbar zu machen.
Info Landschaftsschutzgebiet (LSG)
Charakteristisch für die LSG ist die verhältnismäßig niedrige Schutzintensität, welche vordergründig auf die Absicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes abzielt und die Nutzbarkeit und Regenerationsfähigkeit der Naturgüter erhalten oder wiederherstellen soll. Ebenso soll der Erholungszweck sichergestellt werden und dem fortschreitenden Flächenverbauch entgegengewirkt werden. Die Schutzintensität in einem LSG ist durch spezifische Verordnungen festgelegt und kann daher sehr unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich gilt zwar, dass in den Naturraum nicht eingegriffen werden darf, wenn dadurch der Charakter oder Schutzzweck des Gebiets gefährdet wird, doch gerade bei kulturlandschaftlichen Schutzgebieten ist eine Bewirtschaftung mitunter sogar notwendig, um den Charakter zu erhalten.
Rechtliche Grundlage ist §26 BNatSchG.
Vögel im LSG Spreeniederung
Die Teichlandschaft bietet das ganze Jahr über Lebensraum und Nahrung für viele Vogelarten und ein Besuch lohnt sich in jeder Jahreszeit.
Während der Wintermonate sind insbesondere die Erlenzeisige sehr zahlreich vertreten. Obwohl die Gegend eher Laubbäume aufweist, kann man auch Wintergoldhähnchen finden. Schwanzmeisen, Kohlmeisen, Baumläufer, Grün- und Buntspechte sowie Silber- und Lachmöwen, Graureiher, Zaunkönig und Rotkehlchen sind recht gut zu beobachten, vor allem im Gebiet südlich des Radweges. Ein sehr guter Zeitpunkt dafür ist Ende Januar.

Mit dem beginnenden Frühjahr kehren zahlreiche Brutvögel in das Teichgebiet zurück. Ab Anfang April lassen sich dann Schwarzmilane, Rohrweihen, Weiß- und Schwarzstörche und Zilpzalp beobachten. Rohrammern, Ringeltauben und Kuckucke kehren zurück, mit ihnen die Teich- und Drosselrohrsänger. Sperber nutzen die Hecken und Baumbestände um die Wiesen und Weiden, ebenso die Neuntöter.
Unter den Entenarten kann man insbesondere auf dem Großen Eichteich neben Reiher- und Tafelenten auch Knäk-, Löffel-, Schell- und Schnatterenten beobachten. Auf den Großteichen halten sich Höckerschwäne und Haubentaucher auf.
Das westliche Gebiet aus Weideflächen und Hecken entlang der Hauptspree lässt sich auf einem Wanderpfad von Niedergurig bis zum nördlichsten der Großteiche bei Malschwitz erkunden. An der Steindeckerbrücke befindet sich die zwei Meter hohe und 1545 kg schwere Stahlhartgussglocke, die bis 2003 im Malschwitzer Kirchturm hing, aber aufgrund ihres zu hohen Gewichts vorsorglich entfernt wurde. Von der Glocke aus bietet sich ein schöner Blick über Teich IV, an dessen Nordufer zum Feld hin Spechte, Meisen, Baumläufer, Kleiber und andere baum- und totholzliebende Vögel zu entdecken sind.

Die große Runde vom Rittergut in Niedergurig an der Spreebrücke entlang des Radwegs Richtung Malschwitz und über den Alten Kirchweg zurück nach Niedergurig umfasst etwa 7 km. Es gibt sehr viele hervorragende Beobachtungspunkte, zum Teil mit Bänken, und die Erweiterung der Runde durch kleine Nebenpfade und Stichwege ist ebenfalls möglich und lohnenswert.
Ein solcher Nebenweg bietet sich um den Großen Eichteich an, an dessen Südende es im Sommer allerdings etwas zuwachsen kann, vor allem mit Brennesseln und Brombeeren. Der urige Pfad zwischen Eichteich und Thomasteich ist aber einen Abstecher wert. Zwischen den beiden Teichen befindet sich eine Feuchtwiese. Im Frühjahr kann man Schwarzmilane hier relativ nah beobachten. Zeitweise sah ich bis zu zehn Exemplare in den Baumkronen sitzen. Auch Spechte und Rohrweihen lassen sich hier beobachten.


Der besondere Reiz der Teichlandschaft Spreeniederung liegt für mich in der Zivilisationsstille. Die Gegend ist wenig überlaufen und bietet durch die vielen Blickachsen und Rastpunkte beste Möglichkeite zum Verweilen und Verschmelzen mit der Landschaft. Dieses wichtige Erleben, die Natur zu hören, zu riechen und zu sehen, sich ihr damit zu öffnen und sich von ihr berühren zu lassen, gelingt an diesem Ort für mich nahezu perfekt.
Seit Herbst 2019 weisen an den Zugängen zur Teichgruppe außerdem Hinweisschilder darauf hin, dass Hunde grundsätzlich an der Leine zu führen sind – etwas, das man eigentlich nicht oft genug betonen kann. Auch wenn es manchem Hundebesitzer nicht in den Kopf will, aber es gibt viele Menschen, die es nicht schön finden, von einem Hund beschnuppert oder besprungen zu werden. Es ist auch kein Privileg von Hundebesitzern, ihre Tiere unangeleint in der Öffentlichkeit herumlaufen zu lassen. Für mich sorgt diese strikte Regelung jedenfalls zusätzlich für ein entspanntes Birding.

Erreichbar ist das Teichgebiet bei Niedergurig am besten mit dem Auto über die A4, Abfahrt Bautzen Ost. Der Bundesstraße 156 Richtung Norden folgend gelangt man nach ca. 5 km nach Niedergurig. Der günstigste Parkplatz ist hier auf der Straße Im Rittergut. An der Bundesstraße befinden sich vor und hinter Niedergurig weitere unbefestigte Parkplätze. Der kleine Parkplatz am Ziegelteich südlich von Niedergurig hat derzeit den Nachteil, dass der Zugang zu den anderen Teichen durch die Malschwitzer Kleine Spree abgetrennt ist aufgrund einer fehlenden Brücke. Wer die Rieseneiche am Ziegelteich bestaunen möchte, muss allerdings diesen Parkplatz wählen.
Busse von Bautzen aus halten in Niedergurig sowie in Pließkowitz, Doberschütz und Malschwitz östlich der Teiche.
Wer in der Oberlausitz mit dem Fahrrad unterwegs ist, kann das Teichgebiet vom Seeadler-Rundweg aus erreichen. Der Radweg führt auf größtenteils befestigten Wegen durch die Teichgruppe.

Links
Zum GURKENGLAS
Hintergrund
Definition des Landschaftsschutzgebiets auf der Webseite des Bundesamt für Naturschutz
Seeadler-Rundweg
Die Teichlausitz ist für ausgedehnte Radtouren bestens ausgebaut. So lässt sich auch die Niederguriger Teichgruppe per Rad erkunden. Der 88 km lange Seeadler-Rundweg führt durch das angrenzende Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Vom Seeadler-Rundweg aus erreicht man das Teichgebiet von Guttau (Haus der Tausend Teiche) aus in etwa 20 Minuten. Hier als PDF der Übersichtsplan des Seeadler-Rundwegs (biosphärenreservat-oberlausitz.de).
Trivia
Im Herbst 2018 wurde eine Brücke, welche die Malschwitzer Kleine Spree zwischen Großem Ziegelteich und Großem Eichteich querte, binnen zwei Tagen abgerissen. Dadurch sind die Rieseneiche und die Ziegelteiche derzeit nur von der Bundesstraße aus zu erreichen, statt vom Radweg aus. Das Ganze ist ein trauriges Schauspiel aus diffuser Rechtslage, vielschichtigen Besitz- und Grundstücksverhältnissen, eigenartigen Interessenlagen und deutscher Bürokratie. Wer Nerven hat, kann sich aus den folgenden Zeitungsberichten ein Bild und vielleicht auch eine Meinung machen…
alles-lausitz.de vom 2.12.2018
Sächsische Zeitung vom 10.5.2019
alles-lausitz.de vom 7.9.2019
